Wirtschaftliches Umfeld und Ausblick

Die konjunkturelle Entwicklung im ersten Halbjahr 2022 war volatil. Nach einem verhaltenen Start im ersten Quartal 2022 mit erheblichen regionalen Unterschieden (moderates Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in der EU und in Asien, leichter Rückgang in Nordamerika) schwächte sich die Konjunktur im zweiten Quartal 2022 ab, so dass das globale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal weitgehend stagnierte. Trotz der abnehmenden Wachstumsdynamik lag das globale Brutto­inlandsprodukt im ersten Halbjahr 2022 um rund 3,0 % über dem ersten Halbjahr 2021.

Zur konjunkturellen Abschwächung im Verlauf des ersten Halb­jahres 2022 trugen eine Reihe unterschiedlicher Effekte bei: Die vorübergehenden Lockdowns in großen chinesischen Städten führten zu einem Rückgang der Konsumnachfrage in China und zugleich zu Angebotsausfällen aufgrund von Produktionsabstellungen und Störungen in den Logistikketten. Nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine sind außerdem die Preise für Energie und Rohstoffe erheblich angestiegen. Die US-amerikanische Zentralbank hat auf die steigenden Inflationsraten bereits mit einer deutlichen Straffung ihrer Geldpolitik reagiert, die zu Bremseffekten unter anderem in der Bauwirtschaft geführt hat. Darüber hinaus dämpften die Kursrückgänge am Aktienmarkt und die damit verbundenen Vermögenseffekte den Konsum in den USA. In den EU-Ländern, die in hohem Maße von Gaslieferungen aus Russland abhängig sind, hat die Unsicherheit bei Verbrauchern und Produzenten erheblich zugenommen.

Nach vorläufigen und zum Teil geschätzten Daten stieg die globale Industrieproduktion im ersten Halbjahr 2022 um rund 3,5 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Insgesamt dämpften die Lockdowns in China im zweiten Quartal die Wachstumsdynamik im verarbeitenden Gewerbe, weil sich die Produktion in China abschwächte und Vorleistungsgüter aus China für andere Regionen fehlten. Die Nachfrage in unseren Abnehmerindustrien entwickelte sich unterschiedlich. Die globale Automobilproduktion sank im ersten Halbjahr um rund 1,8 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dazu trugen Störungen in den Lieferketten bei. Der Krieg in der Ukraine schränkte Zulieferungen von Kabelbäumen für europäische Automobilhersteller ein und weltweit fehlten weiterhin Halbleiter. Hier bessert sich die Situation allerdings allmählich. Aufgrund der Lockdowns schwächte sich die Automobilnachfrage in China vorübergehend ab.

Die Produktion von Verbrauchsgütern (Gesundheit und Ernährung, Pflegeprodukte) und langlebigen Gebrauchsgütern (Textilien, Möbel) nahm gegenüber dem Vorjahr weiter zu. Auch in der Elektro- und Elektronikindustrie wuchs die Produktion gegenüber dem Vorjahr. In der Bauindustrie ist das Bild heterogen, mit steigender Nachfrage in der EU, aber Abschwächungstendenzen in den USA und China. Die Neubautätigkeit in den USA und der EU wird durch das steigende Zinsniveau gedämpft. Dennoch blieb die Nachfrage nach Baumaterialien im ersten Halbjahr 2022 hoch. Die Produktion in der globalen Landwirtschaft nahm deutlich zu, dem starken Rückgang der Produktion in der Ukraine standen steigende Volumina in anderen Regionen gegenüber.

Die globale Chemieproduktion legte im ersten Halbjahr 2022 um rund 2,5 % zu. Regional waren die Wachstumsraten sehr unterschiedlich. In der EU ging die Chemieproduktion insgesamt leicht zurück, in den USA wuchs sie dagegen aufgrund von Basiseffekten nach den durch einen Wintersturm bedingten Produktions­einschränkungen im Vorjahreszeitraum stark um 6,5 %. Im weltgrößten Chemiemarkt China konnte die Chemieproduktion um 4 % gesteigert werden.

Der Ölpreis lag mit durchschnittlich 107 US$/Barrel (Brent) im ersten Halbjahr 2022 deutlich über dem Durchschnitt des Vorjahres­zeitraums (65 US$/Barrel). Der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland ließen den Ölpreis von durchschnittlich 87 US$/Barrel im Januar auf 122 US$/Barrel im Durchschnitt im Juni ansteigen. Der europäische Gaspreis (TTF) stieg von durchschnittlich 7,76 US$/mmBtu im ersten Halbjahr 2021 auf mehr als das Vierfache (31,94 US$/mmBtu) im Durchschnitt des ersten Halbjahres 2022. Der US-amerikanische Gaspreis (Henry Hub) verdoppelte sich in demselben Zeitraum nahezu von durchschnittlich 3,40 US$/mmBtu auf 6,41 US$/mmBtu.

Die Einschätzung zu den weltweiten wirtschaftlichen Rahmen­bedingungen im Jahr 2022 wurde wie folgt angepasst (bisherige Annahmen aus dem BASF-Bericht 2021 in Klammern; aktuelle Wachstumsannahmen gerundet):

  • Wachstum des Bruttoinlandsprodukts: +2,5 % (+3,8 %)
  • Wachstum der Industrieproduktion: +3,0 % (+3,8 %)
  • Wachstum der Chemieproduktion: +2,5 % (+3,5 %)
  • US-Dollar-Wechselkurs von durchschnittlich 1,07 US$/€ (1,15 US$/€)
  • Ölpreis der Sorte Brent von 110 US$/Barrel im Jahresdurchschnitt (75 US$/Barrel)

Für das zweite Halbjahr 2022 geht BASF von einer allmählichen Abkühlung der wirtschaftlichen Entwicklung weltweit aus, jedoch deutlich stärker ausgeprägt für Europa. Dabei unterstellen wir, dass es weder zu starken Einschränkungen durch erneute Lockdowns in China noch zu Produktionsabstellungen aufgrund einer Gasmangellage in Europa kommt.

Aufgrund der sehr positiven Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2022 wurde die Prognose für die BASF-Gruppe für das Geschäftsjahr 2022 auf Basis der zuvor genannten Annahmen wie folgt angepasst (bisherige Prognose aus dem BASF-Bericht 2021 in Klammern):

  • Umsatzwachstum auf einen Wert zwischen 86 Milliarden € und 89 Milliarden € (74 Milliarden € und 77 Milliarden €)
  • EBIT vor Sondereinflüssen zwischen 6,8 Milliarden € und 7,2 Milliarden € (6,6 Milliarden € und 7,2 Milliarden €)
  • Return on Capital Employed (ROCE) zwischen 10,5 % und 11,0 % (11,4 % und 12,6 %)
  • Reduzierung der CO2-Emissionen auf einen Wert zwischen 18,4 Millionen Tonnen und 19,4 Millionen Tonnen (19,6 Millionen Tonnen und 20,6 Millionen Tonnen)

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen, vor allem bedingt durch den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Auswirkungen auf Energie- und Rohstoffpreise sowie auf die Rohstoffverfügbarkeit insbesondere in Europa, kann es abweichend von den oben dargestellten Annahmen zu zusätzlichen Belastungen kommen. Risiken können sich insbesondere durch Produktions­unterbrechungen an den großen europäischen Standorten infolge weiterer Einschränkungen der europäischen Gasversorgung aus Russland ergeben. In diesem Fall könnte der Ausfall europäischer Kapazitäten teilweise durch höhere Anlagenauslastung an außereuropäischen Standorten ausgeglichen werden. Weitere Risiken können sich aus dem weiteren Verlauf der Corona-Pandemie und erneuten Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen ergeben. Chancen können auch bei wirtschaftlicher Abkühlung durch anhaltend hohe Margen entstehen. Der wirtschaftlichen Abkühlung treten wir mit Kostenreduktionsmaßnahmen entgegen.

Im Hinblick auf die übrigen Chancen- und Risikofaktoren sind die im BASF-Bericht 2021 getroffenen Aussagen im Wesentlichen nach wie vor gültig. Nach Einschätzung des Unternehmens ist der Fortbestand der BASF-Gruppe weder durch bestehende Einzelrisiken noch durch die Gesamtbetrachtung aller Risiken gefährdet.

Die ausreichende Versorgung von Europa mit Erdgas bleibt weiterhin der größte Unsicherheitsfaktor. Eine kontinuierliche bedarfs­gerechte Belieferung mit Erdgas ist für die Chemieproduktion unverzichtbar. In Europa verwendet BASF etwa 60 % des Erdgases für die Erzeugung von Energie (Dampf und Strom), die in der Produktion benötigt wird. Etwa 40 % des Erdgases werden als Rohstoff genutzt, um wichtige Grundchemikalien und in den darauf aufbauenden Wertschöpfungsketten eine Vielzahl von Produkten für nahezu alle Industriebranchen herzustellen.

Je nach Dauer und Ausmaß der Liefereinschränkungen, dem Vorhandensein alternativer Bezugsquellen und Substitutions­möglichkeiten sowie einer gasreduzierten Produktionsoptimierung können die Folgen unterschiedlich sein. Eine Risikoquantifizierung mit ausreichender Genauigkeit ist deshalb nicht möglich.