Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 1
Das Wachstum der Weltwirtschaft wurde im Jahr 2023 in vielen Ländern durch hohe Inflationsraten und steigende Zinsen belastet. Aufgrund von Vorzieh- beziehungsweise Nachholeffekten aus der Corona-Pandemie nahm die Güternachfrage erheblich langsamer zu als die Nachfrage nach Dienstleistungen. Die Industrieproduktion und die Chemienachfrage entwickelten sich daher außerordentlich schwach.
Auf einen Blick
+2,6 %
Wachstum des globalen BIP
+1,7 %
Steigerung der globalen Chemieproduktion
- Schwaches Wachstum der Güternachfrage
- Steigende Zinsen und hohe Inflation
- Wachstum der Chemieproduktion in China; Rückgang im Rest der Welt
Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg um 2,6 % gegenüber dem Vorjahr (2022: +3,1 %). Die globale Industrieproduktion nahm um 1,4 % zu (2022: +2,9 %). Die globale Chemieproduktion stieg um 1,7 % (2022: +2,1 %), allerdings mit starken regionalen Unterschieden. Während die Chemieproduktion in China um 7,5 % zunahm, sank sie im Rest der Welt insgesamt um 3,9 %.
Der durchschnittliche Preis der Referenzrohölsorte Brent blieb mit 82 US$/Barrel deutlich unter dem Vorjahresniveau (2022: 101 US$/Barrel). Der Gaspreis in Nordwesteuropa betrug im Jahresdurchschnitt 40,52 €/MWh (12,83 US$/mmBtu). Er lag damit um rund zwei Drittel unter dem Niveau des Vorjahres, aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnittspreis der Jahre 2015 bis 2020 und mehr als fünfmal so hoch wie in den USA.
Weltwirtschaftliche Entwicklung 2023
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verlief im Jahr 2023 insgesamt gedämpft, aber mit erheblichen regionalen Unterschieden. Während sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in den USA nach einem moderaten ersten Halbjahr im dritten Quartal deutlich beschleunigte, stagnierte das Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union (EU) weitgehend. In den USA wurde die private Nachfrage durch den Abbau von Ersparnissen, die steigende Beschäftigung und wachsende Löhne gestützt. In der EU hielten sich die Verbraucher trotz der soliden Arbeitsmärkte angesichts der gestiegenen Strom- und Gaspreise und der Unsicherheit im Zuge des Kriegs in der Ukraine mit Ausgaben zurück. In Asien verlief die Konjunkturentwicklung uneinheitlich: In China folgte auf einen dynamischen Jahresauftakt im ersten Quartal ein schwaches Wachstum im Rest des Jahres. Die chinesische Inlandsnachfrage blieb aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit im Umfeld der Immobilienkrise verhalten und das Exportgeschäft litt unter der Schwäche der Weltkonjunktur. In Japan zog die Konjunktur wegen des schwächeren Wechselkurses, eines wachsenden privaten Verbrauchs und der hohen Automobilnachfrage aus dem In- und Ausland vorübergehend an.
In unseren Kundenindustrien konnten vorhandene Auftragsbestände weiter abgearbeitet werden, nachdem sich die Störungen in den Lieferketten weitgehend zurückgebildet hatten. Dieser Nachholeffekt führte insbesondere in der Automobilindustrie, die zuvor von erheblichen Lieferproblemen betroffen war, zu hohen Wachstumsraten. Dagegen wurden dauerhafte Konsumgüter wie zum Beispiel Möbel oder Unterhaltungselektronik nach dem Nachfrageboom während der Corona-Lockdowns deutlich weniger nachgefragt. In der Bauindustrie machte sich das in vielen Ländern stark gestiegene Zinsniveau zunehmend mit einer sinkenden Nachfrage bemerkbar.
Die nach wie vor hohen Energiepreise spiegelten die globale Konjunkturschwäche nicht in vollem Umfang wider. Insbesondere wurde der Ölpreis angebotsseitig durch mehrere Förderkürzungen seitens der OPEC+-Länder gestützt.
1 Sämtliche Angaben in diesem Kapitel, die sich auf zurückliegende Jahre beziehen, können aufgrund von statistischen Revisionen vom Vorjahresbericht abweichen. Soweit verfügbar, werden gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten kalenderbereinigt angegeben. Für das Jahr 2023 noch nicht vollständig vorliegende Werte wurden geschätzt.
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2023 |
2022 |
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Welt |
2,6 % |
3,1 % |
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EU |
0,5 % |
3,6 % |
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USA |
2,5 % |
1,9 % |
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Schwellenländer Asiens ohne China 1 |
4,7 % |
5,7 % |
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China |
5,2 % |
3,0 % |
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Japan |
1,8 % |
0,9 % |
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Südamerika |
1,4 % |
3,7 % |
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Entwicklung der Wirtschaft nach Regionen
In der EU nahm das BIP 2023 nur um 0,5 % zu (2022: +3,6 %). Wie bereits im Vorjahr waren deutliche Unterschiede zwischen den typischen touristisch geprägten Ländern und den stärker industrie- und güterexportorientierten Volkswirtschaften zu verzeichnen. Während das BIP in Spanien um mehr als 2 % zulegen konnte, verzeichneten Frankreich und Italien nur ein Wachstum des BIP von unter 1 %.
In Deutschland sank das Bruttoinlandsprodukt in kalenderbereinigter Betrachtung dagegen leicht um 0,1 %. Der private Verbrauch ging aufgrund der hohen Inflationsrate und der damit sinkenden Kaufkraft der privaten Haushalte zurück. Abweichend von den anderen großen EU-Ländern sanken auch die staatlichen Konsumausgaben deutlich, weil pandemiebedingte Sonderausgaben wegfielen. Die schwache Weltkonjunktur spiegelte sich schließlich in einem Rückgang der Exporte wider, dem allerdings auch ein stärkerer Rückgang der Importe gegenüberstand. Insgesamt hat der Außenhandel daher einen positiven Wachstumsbeitrag für die deutsche Wirtschaft geliefert. Aufgrund des Rückgangs der Produktion in den energieintensiven Industrien und in der Bauindustrie ging die deutsche Industrieproduktion insgesamt um rund 1 % zurück.
Auch in den osteuropäischen EU-Ländern hat sich das Wachstum stark verlangsamt (2023: +0,5 %, 2022: +4,2 %). Die Verbraucherpreisinflation ging zwar gegenüber dem Vorjahr etwas zurück, lag mit rund 11 % aber deutlich höher als in den westeuropäischen EU-Ländern (rund 6 %). Neben dem Kaufkraftverlust waren diese Länder wegen ihres überdurchschnittlich hohen Industrieanteils besonders von der Schwäche des verarbeitenden Gewerbes betroffen.
Im Vereinigten Königreich wuchs das BIP nur schwach um 0,5 % (2022: +4,3 %), weil der private Verbrauch vor dem Hintergrund hoher Inflationsraten nur geringfügig zunahm und die steigenden Zinsen den Ausgabenspielraum der privaten Haushalte zunehmend einschränkten.
In den USA entwickelte sich die Konjunktur deutlich besser als zu Jahresbeginn von uns erwartet. Das BIP ist im Jahr 2023 mit 2,5 % stärker gewachsen als im Vorjahr (+1,9 %). Das Wachstum wurde im Wesentlichen vom privaten Dienstleistungskonsum und der Nachfrage nach Kraftfahrzeugen und Freizeitgütern getrieben. Die privaten Haushalte bauten weiterhin Ersparnisse ab, die sie während der Corona-Pandemie angesammelt hatten. Auch der Industriebau, der von staatlichen Fördermaßnahmen für die Halbleiterindustrie profitierte, trug zum Wachstum bei. Die Produktion im verarbeitenden Gewerbe ging dagegen leicht um 0,5 % zurück.
Die Wirtschaft in China erholte sich im Jahr 2023 nur zögerlich von den coronabedingten Einschränkungen des Jahres 2022. Nach einem geringen Wachstum im Jahr 2022 (+3,0 %) konnte das Wachstumsziel von 5 % zwar erreicht werden, die inländische Güternachfrage wuchs aber nur verhalten und die Warenexporte waren aufgrund der kraftlosen Weltkonjunktur schwach. Die Krise im Wohnungsbausektor dauerte trotz staatlicher Stützungsmaßnahmen an und die Jugendarbeitslosigkeit blieb hoch. Vor diesem Hintergrund hielten sich die chinesischen Verbraucher insbesondere mit Ausgaben für langlebige Konsumgüter zurück.
In den meisten anderen asiatischen Schwellenländern, insbesondere in Indien (2023: +6,5 %, 2022: +7,3 %) und Indonesien (2023: +5,1 %, 2022: +5,3 %), blieb das Wachstum vor dem Hintergrund einer soliden Binnennachfrage auf hohem Niveau. Die gesamte Ländergruppe wuchs mit 4,7 % langsamer als im Vorjahr (+5,7 %). In Japan wuchs das Bruttoinlandsprodukt überdurchschnittlich um 1,8 % (2022: +0,9 %) aufgrund eines schwachen Yen, rückläufiger Importe und steigender Automobilexporte sowie zunehmender Investitionen und eines moderat steigenden privaten Verbrauchs. In Südkorea war das Wachstum vor dem Hintergrund der schwachen Exportnachfrage aus China und der geringen Nachfrage nach Gütern der Informationstechnologie dagegen schwächer als im Vorjahr (2023: +1,4 %, 2022: +2,6 %).
In Südamerika wurde das Wachstum in Brasilien (2023: +3,0 %, 2022: +3,0 %) durch hohe Produktionszuwächse in der Landwirtschaft gestützt. In Argentinien war die wirtschaftliche Entwicklung in einem Umfeld sehr hoher Inflationsraten und einer rapide fallenden Währung rückläufig (2023: –1,7 %, 2022: +5,0 %). Insgesamt wuchsen die Länder der Region 2023 um 1,4 % und damit deutlich schwächer als im Vorjahr (2022: +3,7 %).