BASF-Bericht 2023

Strategisch wirksame Chancen und Risiken

Langfristige Nachfrageentwicklung

Wir gehen davon aus, dass die Chemieproduktion (ohne Pharma) in den kommenden fünf Jahren etwas stärker wachsen wird als das globale Bruttoinlandsprodukt und ungefähr so stark wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre vor der Corona-Pandemie. Durch unser marktorientiertes und breites Portfolio, das wir in den kommenden Jahren zum Beispiel durch Investitionen in neue Produktionskapazitäten, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder Akquisitionen weiter stärken werden, streben wir ein leicht über diesem Marktwachstum liegendes Absatzwachstum an. Sollte sich das globale Wirtschaftswachstum unerwartet stark abschwächen, beispiels­weise infolge einer anhaltenden Schwächeperiode in den Schwellen­ländern, protektionistischer Tendenzen oder von Engpässen an den Energiemärkten, könnten sich die erwarteten Wachstumsraten als zu ambitioniert herausstellen. Zusätzliche Risiken ergeben sich aus geopolitischen Spannungen und konkreten militärischen Konflikten, die sich auf Lieferketten auswirken und die Effizienz der internationalen Ressourcenverteilung verringern könnten.

Darüber hinaus sind die Ambitionen der globalen Klimapolitik und ihre Umsetzung ein wichtiger Einflussfaktor für die Struktur der Nachfrage aus unseren Kundenindustrien. Dies zeigt der Vergleich klimapolitischer Szenarien, die eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad vorsehen, mit alternativen Szenarien, die eine stärkere Erwärmung zulassen. In ambitionierten klimapolitischen Szenarien ändert sich die Struktur der Nachfrage aufgrund des Einsatzes alter­nativer Energiequellen und Rohstoffe, hoher Investi­tionen in ressourcenschonende Technologien und geänderter Kundenpräferenzen, während die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten gegenüber Szena­rien mit einer höheren Erwärmung typischerweise kaum variieren.

Marktchancen ergeben sich in solchen Szenarien beispielsweise für alternative Oberflächenbeschichtungen für Wind- und Solarmodule, für Einsatzstoffe, die das Recycling von Kunststoffen erleichtern, durch eine höhere Nachfrage nach Isoliermaterialien für Gebäude, durch mehr Elektromobilität mit geänderter Nachfrage nach Kunststoffen, Isoliermaterialien, Kühlflüssigkeiten und Batteriematerialien sowie durch mehr alternative Proteine in der Landwirtschaft. Fossile Einsatzstoffe sowie darauf basierende Produktionstechnologien und Produktsegmente verlieren dagegen an Bedeutung. Dies erfordert eine weitere Dekarbonisierung der Produktionsverfahren und alternative Rohstoffquellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Entwicklung der Wettbewerbs- und Kundenlandschaft

Wir rechnen damit, dass Wettbewerber vor allem aus Asien, Nordamerika und dem Nahen Osten, insbesondere aufgrund vorteilhafter Rohstoff- und Energiepreise, in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden. Weiterhin gehen wir davon aus, dass viele Produzenten in rohstoffreichen Ländern ihre Wertschöpfungsketten in den verbrauchernahen Bereichen ausweiten werden. Darüber hinaus könnte sich das Aufkommen großer digitaler Marktplätze für Chemikalien auf bestehende Kunden- und Lieferbezie­hungen auswirken.

Von unseren Kunden erwarten wir eine kontinuierlich steigende Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen, zum Beispiel nach Produkten mit niedrigem CO2-Fußabdruck, die aus recycelten, zirku­lären oder biobasierten Rohstoffen hergestellt werden, die biologisch abbaubar sind, oder nach Produkten mit anderen messbaren Nachhaltigkeitsvorteilen. Ein Anstieg der Kundennachfrage nach nachhaltigen Lösungen ist jedoch auch stark von der Regulierung abhängig. Unternehmen, die nachweislich nachhaltigere Lösungen anbieten, werden dadurch ein höheres Wachstum und eine höhere Profitabilität erzielen können. Die Ausweitung von Sharing-Economy-Geschäftsmodellen könnte sich langfristig auf die Nachfrage in einzelnen Kundenindustrien auswirken, wobei sich durch höhere Anforderungen an Produkteigenschaften auch Chancen für Innovationen ergeben können. Daher adressieren wir diese Themen in Forschungs- und Investi­tionsprogrammen zur nachhaltigen Transformation von BASF.

Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, verbessern wir kontinuierlich unsere Produktionsprozesse, straffen unsere Verwaltung und vereinfachen Prozesse. Unser Forschungs- und Geschäftsfokus liegt auf innovationsstarken Geschäftsfeldern und auf der Differenzierung durch Nachhaltigkeitsvorteile, um unsere Kunden und BASF erfolgreicher zu machen.

Regulierung/Politik

Wir erwarten anhaltenden regulatorischen und gesellschaftlichen Druck zur Erreichung einer umweltfreundlichen Energieerzeugung, eines emissionsfreien Energieverbrauchs sowie einer klimaneutralen Ressourcen- und Rohstoffbasis. Die politischen Lösungsansätze hierfür werden regional stark unterschiedlich ausfallen. Jedoch erwarten wir insbesondere in Europa Maßnahmen mit kontinuierlich hoher Regulierungsdichte und Detailgenauigkeit, darunter Anpassungen von Chemikalien- und Industrieregulierungen, die das Potenzial haben, die Wettbewerbsfähigkeit der Geschäftstätigkeit und des Produktportfolios von BASF, aber auch unserer Kunden, erheblich zu beeinflussen.

Wir sehen das Risiko, dass die aktuellen geopolitischen Veränderungen zur Schaffung unabgestimmter oder divergierender globaler Gesetzgebungsstandards und Regulierungssysteme führen werden, nicht nur in Bezug auf Chemikalien oder den Regulierungs­rahmen für Digitalisierung, sondern auch in Bezug auf Kriterien hinsichtlich Klima, Umwelt, Soziales und Governance. Risiken, aber auch Chancen, sehen wir in der internationalen Standardsetzung für konkrete Produktkategorien oder Technologien.

Wir erläutern unsere Strategie in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern und gesellschaftlichen Akteuren. Dabei informieren wir uns gleichzeitig über geplante regulatorische Veränderungen und setzen uns für einen förderlichen und stabilen Regulierungs­rahmen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ein. BASF ist in der Lage, mit neuen Technologien, innovativen Produkten und Prozessen sowie ihrem breiten Produktportfolio wesentliche Beiträge zur Erreichung der UN-Entwicklungsziele, insbesondere im Hinblick auf Klimaneutralität, zu leisten.

Innovationen

Wir erwarten, dass sich der Trend zu höheren Nachhaltigkeits­anforderungen in unseren Kundenindustrien weiter fortsetzt. Unser Ziel ist es, die sich daraus ergebenden Chancen in einem wachsenden Markt durch nachhaltigere Innovationen zu nutzen. Schlüssel­bereiche sind Produkte mit einem niedrigeren oder sogar Netto-Null-CO2-Fußabdruck, Lösungen für die Kreislaufwirtschaft sowie sichere und nachhaltige Produkte. Um auf diesen Gebieten erfolgreich zu sein, haben wir spezifische Forschungs- und Investitionsprogramme zur nachhaltigen Transformation von BASF aufgelegt. Darüber hinaus haben wir auch unsere im Jahr 2023 überarbeitete Sustainable-Solution-Steering-Methode auf die Bewertung unserer Innovationsprojekte übertragen und frühzeitig in unsere Forschungs- und Entwicklungsprozesse integriert, um unser Innovationsportfolio in Richtung erhöhter Nachhaltigkeit zu steuern.

Bei jedem einzelnen Forschungs- und Entwicklungsprojekt bestehen Risiken, technisch und kommerziell zu scheitern. Wir begegnen diesen durch ein ausgewogenes und umfangreiches Projektportfolio sowie durch ein professionelles, meilensteinbasiertes Projekt­management.

Weitere Risiken können sich aus zunehmendem staatlichem Protektionismus und der Forderung nach Lokalisierung von Intellectual Property ergeben, um technologische Unabhängigkeit zu erreichen. Durch unseren globalen Wissensverbund in Forschung und Entwicklung stellen wir sicher, dass entscheidendes geistiges Eigentum in Ländern mit hohen Standards in Bezug auf Intellectual Property generiert und geschützt wird.

Wir erwarten, dass die digitale Disruption etablierter Prozesse, unter anderem durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, zu einer deut­lichen Erhöhung der Effizienz und Effektivität in manchen Feldern führen wird. BASF ist daher bestrebt, in der digitalen Transformation der chemischen Industrie führend zu sein. Einsatzmöglichkeiten digi­taler Technologien und Lösungen werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette evaluiert und unternehmensweit umgesetzt, zum Beispiel in Produktion, Logistik, Forschung und Entwicklung, für Geschäftsmodelle sowie in der Unternehmenssteuerung.

Einkauf und Lieferkette

Strategische Risiken im Einkauf sind für BASF von großer Bedeutung, da sie Auswirkungen auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und die Positionierung des Unternehmens haben können. Zu den strategischen Risiken zählen unter anderem strukturelle Veränderungen auf den globalen Märkten, der Klimawandel oder politische Entwick­lungen. Die Sicherheit der Versorgung mit Rohstoffen, Energie und Dienstleistungen wird zunehmend von Handelsstreitigkeiten, Protektionismus, Sanktionen und geopolitischen Konflikten beeinflusst. Um diesen Risiken zu begegnen, setzt BASF auf eine enge Zusammenarbeit mit strategischen Lieferanten und eine kontinuierliche Über­wachung der Märkte und Trends.

Wir beobachten zudem eine Ausweitung des uns und unsere Lieferanten beeinflussenden regulatorischen Rahmens (zum Beispiel das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit). Die mögliche Nichteinhaltung durch unsere Lieferanten kann zu einer reduzierten Lieferantenbasis führen.

Alle Risiken werden kontinuierlich analysiert und es werden geeignete Strategien und Maßnahmen zur Abwehr der Risiken oder zur Minimierung der Auswirkungen auf BASF entwickelt.

Investitionen

Wir erwarten, dass das Wachstum der Chemieproduktion in den Schwellenländern in den kommenden Jahren weiter über dem globalen Durchschnitt liegen wird. Die sich daraus ergebenden Chancen wollen wir nutzen, indem wir unsere Präsenz vor Ort ausweiten. Darüber hinaus tragen regionale Wertschöpfungsketten dazu bei, Risiken durch Handelskonflikte und Barrieren zu mindern, die eine Herausforderung für globale Märkte und Lieferketten darstellen.

Die Entscheidungen über Art, Umfang und Standort unserer Investitionsprojekte werden auf Basis etablierter ganzheitlicher Bewertungsprozesse getroffen. Sie berücksichtigen langfristige Prognosen für die Markt-, Margen- und Kostenentwicklung, Rohstoffverfügbarkeit sowie Länder-, Währungs-, Nachhaltigkeits- und Technologie­risiken. Chancen und Risiken ergeben sich aus mög­lichen Abweichungen der realen Entwicklung von unseren Annahmen. Es gibt Pläne zur Risikominderung, wenn die Risiken erheblich sind.

Investitionen in nachhaltigere Technologien stellen eine langfristige Chance dar, auch wenn sie kurzfristig, abhängig vom Markt und dem jeweiligen regulatorischen Rahmen, möglicherweise nicht wett­bewerbsfähig oder rentabel sind.

Akquisitionen/Devestitionen/Kooperationen

Auch künftig werden wir unser Portfolio durch kleinere, ergänzende Akquisitionen weiterentwickeln, die ein überdurchschnittlich profitables Wachstum versprechen, innovationsgetrieben sind oder eine technologische Differenzierung bieten und helfen, eine relevante Marktposition zu erreichen, sowie neue und nachhaltige Geschäftsmodelle ermöglichen.

Die Bewertung von Chancen und Risiken spielt bei der Prüfung von Akquisitionszielen eine wesentliche Rolle. Eine detaillierte Analyse und Quantifizierung erfolgt im Rahmen der Due Diligence. Risiken sind beispielsweise erhöhte Personalfluktuation, eine verzögerte Realisierung von Synergien oder die Übernahme von im Vorfeld nicht exakt quantifizierbaren Verpflichtungen. Es bestehen aber auch Chancen, etwa durch zusätzliche Synergien. Darüber hinaus entwickeln wir unser Portfolio durch Ausgliederungen und Devesti­tionen weiter. In diesem Zusammenhang können sich Risiken aus möglichen Gewährleistungsansprüchen oder sonstigen vertrag­lichen Verpflichtungen, wie beispielsweise langfristigen Lieferver­trägen, ergeben.

Personal

BASF stellt sich mittel- bis langfristig auf zunehmende Herausforderungen bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften ein. Gründe dafür sind die demografische Entwicklung insbesondere in Nordamerika und Europa. Darüber hinaus wird die Chemieindustrie mit starker Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch wahrgenommen. Dies erhöht das Risiko für die Branche, dass offene Stellen nicht oder nur verzögert besetzt werden können und somit nicht genügend geeignete Talente angezogen, rekrutiert und gehalten werden können.

Diesen Risiken begegnen wir unter anderem mit Maßnahmen zur stärkeren Positionierung unserer Arbeitgebermarke („Employer Branding“) sowie zur Stärkung unserer Reputation (zum Beispiel unsere Werbekampagne „Wandel für das Klima“). Auf lokaler Ebene arbeiten wir an der Stärkung des Mitarbeiter-Engagements sowie an Maßnahmen wie Nachfolgeplanung, Wissensmanagement, Angeboten zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und Gesundheitsförderung. Damit erhöhen wir die Attraktivität von BASF als Arbeitgeber und binden Mitarbeitende langfristig an uns.

Klima

Auch die anhaltenden Klimaveränderungen bergen Chancen und Risiken für BASF. Als energieintensives Unternehmen ergeben sich klimabezogene Risiken insbesondere durch regulatorische Änderungen, zum Beispiel bei der Bepreisung von CO2 über Emissionshandelssysteme, Steuern oder die Energiegesetzgebung. Darüber hinaus kann die Emissionsbilanz und -intensität von BASF zu einer negativen Wahrnehmung und eingeschränkter Attraktivität bei externen Interessengruppen, wie etwa Kunden, Investoren und Fachkräften, führen. Wir begegnen diesen Risiken durch unsere Maßnahmen im Rahmen des Carbon Managements und indem wir unsere Positionen und Beiträge zum Klimaschutz etwa in Form von politischen Forderungen oder durch Fortschritte bei der Umsetzung unserer Klimastrategie transparent in öffentlich zugänglichen Quellen, zum Beispiel diesem Geschäftsbericht oder auf der BASF-Webseite, und im direkten Austausch mit den externen Interessengruppen darstellen.

Um die sich verändernden physischen Risiken im Zuge des Klimawandels für unsere Standorte bewerten zu können, wurden gemeinsam mit einem externen Partner Klimadaten basierend auf den neuesten Szenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für unsere Standorte bereitgestellt. Dies bietet den Standorten die Möglichkeit, ihre potenzielle physische Betroffenheit durch den Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten zu beurteilen. Hierbei konzentrieren wir uns auf ein Klimaschutzszenario, ergänzt um zwei Szenarien mit einer mittleren sowie einer hohen globalen Erwärmung. 1 Am weitesten verbreitet ist eine potenzielle Betroffenheit durch die Zunahme von Hitze und Dürre. Die Standorte werden bei der Erstellung ihrer Strategien mit diesen Informationen unterstützt. Im aktuellen Berichtsjahr wurde zudem an ausgewählten Standorten eine konkrete Analyse physischer Klimarisiken durchgeführt. In den kommenden Jahren ist geplant, diesen Ansatz zukünftig auf alle für BASF wesentlichen Standorte auszuweiten.

Neben den klimabedingten Risiken bestehen auch Chancen. Unser breites Produktportfolio umfasst unter anderem Lösungen für Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz, beispielsweise Dämmstoffe für Gebäude, Materialien für die Elektromobilität oder biobasierte Produkte, für die sich bei steigenden gesellschaftlichen Anforderungen und dadurch ausgelösten Regulierungen zusätzliche Marktchancen bieten. An Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft, die den ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Ansprüchen langfristig gerecht werden soll, arbeiten wir mit einer Vielzahl von wissenschaftlichen und öffentlichen Organisationen und Initiativen.

1 Dem Bewertungsmodell wurde das IPCC-Klimaschutzszenario SSP1–2.6 zugrunde gelegt, ergänzt um die Szenarien SSP2–4.5 (mittlere globale Erwärmung) und SSP5–8.5 (hohe globale Erwärmung).

Wertschöpfungskette
Als Wertschöpfungskette wird die Aufeinanderfolge von Veredlungsschritten im Produktionsprozess bezeichnet, angefangen bei den Rohstoffen über verschiedene Zwischenstufen wie Transport und Produktion bis zum fertigen Endprodukt.

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