BASF-Bericht 2021

Strategisch wirksame Chancen und Risiken

Langfristige Nachfrageentwicklung

Wir gehen davon aus, dass die Chemieproduktion (ohne Pharma) in den kommenden fünf Jahren ungefähr so stark wachsen wird wie das globale Bruttoinlandsprodukt und stärker als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre vor der Corona-Pandemie. Durch unser marktorientiertes und breites Portfolio, das wir in den kommenden Jahren durch Investitionen in neue Produktionskapazitäten, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie Akquisitionen weiter stärken werden, streben wir ein leicht über diesem Marktwachstum liegendes Absatzwachstum an. Sollte sich das globale Wirtschaftswachstum wegen länger anhaltender Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie, einer anhaltenden Schwächeperiode in den Schwellenländern, protektionistischer Tendenzen oder geopolitischer Krisen unerwartet stark abschwächen, könnten sich die erwarteten Wachstumsraten als zu ambitioniert herausstellen.

Entwicklung der Wettbewerbs- und Kundenlandschaft

Wir rechnen damit, dass Wettbewerber vor allem aus Asien und dem Nahen Osten in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden. Weiterhin gehen wir davon aus, dass viele Produzenten in rohstoffreichen Ländern ihre Wertschöpfungsketten in den verbrauchernahen Bereichen ausweiten werden. Darüber hinaus könnte sich das Aufkommen großer digitaler Marktplätze für Chemikalien auf bestehende Kunden- und Lieferbeziehungen auswirken.

Von unseren Kunden erwarten wir eine kontinuierlich steigende Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen, zum Beispiel Produkte mit niedrigem CO2-Fußabdruck, die aus recycelten, zirkulären oder biobasierten Rohstoffen hergestellt werden, die biologisch abbaubar sind, oder Produkte mit anderen messbaren Nachhaltigkeits­vorteilen. Daher adressieren wir diese Themen in Forschungs- und Investitionsprogrammen zur nachhaltigen Transformation von BASF. Unternehmen, die nachweislich nachhaltigere Lösungen anbieten, werden dadurch ein höheres Wachstum und eine höhere Profitabilität erzielen können. Die Ausweitung von Sharing-Economy-Geschäftsmodellen könnte sich langfristig auf die Nachfrage in einzelnen Kundenindustrien auswirken, wobei sich durch höhere Anforderungen an Produkteigenschaften auch Chancen für Innovationen ergeben können.

Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, verbessern wir im Rahmen unserer Exzellenzprogramme kontinuierlich unsere Produktionsprozesse, straffen unsere Verwaltung und vereinfachen Abläufe sowie Prozesse. Unser Forschungs- und Geschäftsfokus liegt auf innovationsstarken Geschäftsfeldern und auf der Differenzierung durch Nachhaltigkeitsvorteile, um unsere Kunden und BASF erfolgreicher zu machen.

Regulierung/Politik

Wir erwarten anhaltenden regulatorischen und gesellschaftlichen Druck, klimaneutrale Energieerzeugung, klimaneutralen Energie­verbrauch sowie eine klimaneutrale Ressourcen- und Rohstoffbasis zu erreichen. Die politischen Lösungsansätze hierfür werden regional stark unterschiedlich ausfallen. Jedoch erwarten wir insbesondere ausgehend von Europa Maßnahmen mit hoher Regulierungsdichte und Detailgenauigkeit, die das Potenzial haben werden, die Wett­bewerbsfähigkeit der Geschäftstätigkeit und des Produktportfolios von BASF erheblich zu beeinflussen.

Gleichzeitig sehen wir das Risiko, dass die aktuelle geopolitische Verschiebung der Machtverhältnisse zur Schaffung unabgestimmter oder divergierender globaler Gesetzgebungsstandards und Regulierungssysteme führen wird, nicht nur in Bezug auf Chemikalien, sondern auch in Bezug auf Kriterien hinsichtlich Umwelt, Soziales und Governance sowie auf den Regulierungs­rahmen bezüglich Digitalisierung.

Diesen Risiken begegnen wir im Rahmen unserer Unternehmensstrategie. Wir erläutern unsere Strategie in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern und gesellschaftlichen Akteuren. Dabei informieren wir uns gleichzeitig über die Veränderungen, die wir durchlaufen müssen, und setzen uns für einen förderlichen und stabilen Regulierungsrahmen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ein. Wir sehen BASF in einer starken Position, um mit neuen Technologien, innovativen Produkten und Prozessen sowie unserem breiten Produktportfolio Lösungen zur Erreichung der UN-Entwicklungsziele, insbesondere im Hinblick auf Klimaneutralität, beizusteuern.

Innovation

Wir erwarten, dass sich der Trend zu höheren Nachhaltigkeitsanforderungen in unseren Kundenindustrien weiter fortsetzt. Unser Ziel ist es, die sich daraus ergebenden Chancen in einem wachsenden Markt durch noch nachhaltigere Innovationen zu nutzen. Schlüsselbereiche sind Produkte mit einem niedrigeren oder sogar Netto-Null-CO2-Fußabdruck, Lösungen für die Kreislaufwirtschaft sowie sichere und nachhaltige Produkte. Um auf diesen Gebieten erfolgreich zu sein, haben wir spezifische Forschungs- und Investitionsprogramme zur nachhaltigen Transformation von BASF aufgelegt. Darüber hinaus haben wir unsere Sustainable-Solution-Steering-Methode auf die Bewertung unserer Innovationsprojekte übertragen und frühzeitig in unsere Forschungs- und Entwicklungsprozesse integriert. Auf diese Weise steuern wir unser Innovationsportfolio in Richtung erhöhter Nachhaltigkeit, was auch zu einer höheren Profitabilität bei gleichzeitiger Reduzierung von Reputations- und finanziellen Risiken führt.

Bei jedem einzelnen Forschungs- und Entwicklungsprojekt bestehen technische und kommerzielle Risiken zu scheitern. Wir begegnen diesen durch ein ausgewogenes und umfangreiches Projektportfolio sowie durch ein professionelles, meilensteinbasiertes Projekt­management.

Weitere Risiken können sich aus zunehmendem staatlichem Protektionismus und der Forderung nach Lokalisierung von Intellectual Property ergeben, um technologische Unabhängigkeit zu erreichen. Durch unseren globalen Wissensverbund in Forschung und Entwicklung stellen wir sicher, dass entscheidendes geistiges Eigentum in Ländern mit hohen Standards in Bezug auf Intellectual Property generiert und geschützt wird.

Wir erwarten, dass die digitale Disruption etablierter Prozesse zu einer sprunghaften Erhöhung der Effizienz und Effektivität in manchen Feldern führen wird. BASF ist daher bestrebt, in der digitalen Transformation der chemischen Industrie führend zu sein. Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien und Lösungen werden entlang der gesamten Wertschöpfungskette evaluiert und unter­nehmensweit umgesetzt, zum Beispiel in Produktion, Logistik, Forschung und Entwicklung, für Geschäftsmodelle sowie in der Unternehmenssteuerung.

Einkauf, Lieferkette und Infrastruktur

Die Sicherheit der Versorgung mit Rohstoffen, Energie und Dienstleistungen wird zunehmend von Handelsstreitigkeiten, Protektionismus und geopolitischen Konflikten beeinflusst. Darüber hinaus werden Lieferketten mehr und mehr durch Störungen wie Produktionsengpässe bei Lieferanten, unterbrochene Transportketten, extreme Wetterereignisse und länger anhaltende Effekte aus der Corona-Pandemie bedroht. Der Klimawandel und extreme Wetter­ereignisse haben Einfluss auf die Verfügbarkeit von erneuerbaren Rohstoffen.

Diese Risiken wie auch die Einführung neuer Umweltauflagen (zum Beispiel Kosten für CO2-Emissionen) können Auswirkungen auf Einkaufspreise haben. Transportkosten werden signifikant von Kapazitätsengpässen beeinflusst (zum Beispiel Mangel an LKW-Fahrern, Staus infolge unzureichender logistischer Infrastruktur).

Wir beobachten eine zunehmende Ausweitung des uns und unsere Lieferanten beeinflussenden regulatorischen Rahmens. Die mögliche Nicht-Einhaltung durch unsere Lieferanten kann zu einer reduzierten Lieferantenbasis führen. Überdies ist die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien stark von günstigen Preisen und Rahmen­bedingungen abhängig.

Diese Risiken werden kontinuierlich analysiert und es werden geeignete Strategien und Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen auf BASF entwickelt.

Um die sich verändernden Risiken im Zuge des Klimawandels für unsere Standorte bewerten zu können, wurden gemeinsam mit einem externen Partner Klimadaten basierend auf den neuesten Szenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für unsere Standorte bereitgestellt. Dies bietet den Standorten die Möglichkeit, ihre potenzielle Betroffenheit durch den Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten zu beurteilen. Hierbei konzentrieren wir uns auf ein Klimaschutzszenario, ergänzt um zwei Szenarien mit einer mittleren sowie einer hohen globalen Erwärmung. 1 Am weitesten verbreitet ist eine potenzielle Betroffenheit durch die Zunahme von Hitze und Dürre. Die Erkenntnisse können bei der Entwicklung von Standortstrategien berücksichtigt werden.

Die Verfügbarkeit unserer Infrastruktur, Produktionsanlagen und Lieferketten kann durch die Nichtverfügbarkeit, die Verletzung der Vertraulichkeit oder die Manipulation von Daten bei kritischen IT-Systemen und -Anwendungen beeinträchtigt werden. Die Bedrohungslage hat sich in den vergangenen Jahren dahingehend verändert, dass Angreifer sich besser organisieren, ausgereiftere Techniken verwenden und über weit mehr Ressourcen verfügen.

Weiterentwicklung des Portfolios durch Investitionen

Wir erwarten, dass das Wachstum der Chemieproduktion in den Schwellenländern in den kommenden Jahren weiter über dem globalen Durchschnitt liegen wird. Die sich daraus ergebenden Chancen wollen wir nutzen, indem wir unsere Präsenz vor Ort ausweiten. Darüber hinaus tragen regionale Wertschöpfungsketten dazu bei, Risiken durch Handelskonflikte und Barrieren zu mindern, die eine Herausforderung für globale Märkte und Lieferketten darstellen.

Die Entscheidungen über Art, Umfang und Standort unserer Investitionsprojekte werden auf Basis etablierter ganzheitlicher Bewertungsprozesse getroffen. Sie berücksichtigen langfristige Prognosen für die Markt-, Margen- und Kostenentwicklung, Rohstoffverfügbarkeit sowie Länder-, Währungs-, Nachhaltigkeits- und Technologie­risiken. Chancen und Risiken ergeben sich aus möglichen Abweichungen der realen Entwicklung von unseren Annahmen.

Investitionen in nachhaltigere Technologien stellen eine langfristige Chance dar, auch wenn sie kurzfristig, abhängig vom Markt und dem jeweiligen regulatorischen Rahmen, möglicherweise nicht wettbewerbsfähig oder rentabel sind.

Akquisitionen, Devestitionen und Kooperationen

Auch künftig werden wir unser Portfolio durch Akquisitionen weiterentwickeln, die ein überdurchschnittlich profitables Wachstum versprechen, innovationsgetrieben sind oder eine technologische Differenzierung bieten und helfen, eine relevante Marktposition zu erreichen, sowie neue und nachhaltige Geschäftsmodelle ermöglichen.

Die Bewertung von Chancen und Risiken spielt bei der Prüfung von Akquisitionszielen eine wesentliche Rolle. Eine detaillierte Analyse und Quantifizierung erfolgt im Rahmen der Due Diligence. Risiken sind beispielsweise erhöhte Personalfluktuation, eine verzögerte Realisierung von Synergien oder die Übernahme von im Vorfeld nicht exakt quantifizierbaren Verpflichtungen. Sollten unsere dies­bezüglichen Erwartungen nicht eintreten, können sich Risiken wie beispielsweise Wertminderungsbedarf beim immateriellen Vermögen ergeben; es bestehen aber auch Chancen, etwa durch zusätzliche Synergien.

Auch Devestitionen spielen bei der Weiterentwicklung unseres Portfolios eine entscheidende Rolle. Risiken können sich hierbei im Nachgang der Devestitionen aus möglichen Gewährleistungsansprüchen oder sonstigen vertraglichen Verpflichtungen, wie beispielsweise langfristigen Lieferverträgen, ergeben.

Rekrutierung und langfristige Bindung von qualifizierten Mitarbeitenden

BASF stellt sich durch die demografische Entwicklung, insbesondere in Nordamerika und Europa, mittel- bis langfristig auf zunehmende Herausforderungen bei der Gewinnung von Fachkräften ein. Damit erhöht sich das Risiko, dass offene Stellen nicht oder nur verzögert besetzt werden können. Diesen Risiken begegnen wir mit Maßnahmen zur Einbeziehung von Vielfalt, Mitarbeitenden- und Führungskräfteentwicklung sowie zur stärkeren Positionierung unserer Arbeitgebermarke („Employer Branding“). Das Demografiemanagement auf lokaler Ebene umfasst Nachfolgeplanung, Wissensmanagement sowie Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privat­leben und zur Gesundheitsförderung. Damit erhöhen wir die Attraktivität von BASF als Arbeitgeber und binden Mitarbeitende langfristig an uns.

Nachhaltigkeit

Chancen sowie Risiken, die sich aus wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen ergeben können, sind nur selten konkret finanziell bewertbar und wirken sich vor allem mittel- bis langfristig auf die Geschäfts­tätigkeiten aus.

Risiken, die sich aus den Themenbereichen Sicherheit und Umweltschutz, Gesundheitsschutz, Produktverantwortung, Compliance, Lieferantenbeziehungen sowie Arbeits- und Sozialstandards ergeben können, verringern wir, indem wir uns global einheitliche Standards setzen. Diese gehen in Teilen über lokale gesetzliche Anforderungen hinaus. Unser global gültiger Verhaltenskodex definiert einen verbindlichen Rahmen für unser Handeln für alle BASF-Mitarbeitenden, Führungskräfte und den Vorstand. Zur Einhaltung unserer internen Standards haben wir globale Management­systeme etabliert und prüfen die Umsetzung durch interne Monitoring­systeme wie globale Befragungen oder Audits. Anforderungen für Lieferanten haben wir in unserem global gültigen Lieferanten-Verhaltenskodex definiert. Lieferanten mit hohem potenziellem Nachhaltigkeitsrisiko lassen wir durch Dritte überprüfen. Dies geschieht entweder im Rahmen von Nachhaltigkeitsbewertungen oder durch Vor-Ort-Audits. Beschwerdemechanismen wie unsere Compliance-Hotlines ergänzen die Monitoringsysteme.

Des Weiteren bergen die anhaltenden Klimaveränderungen sowohl Chancen als auch Risiken für BASF. Als energieintensives Unternehmen ergeben sich klimabezogene Risiken insbesondere durch regulatorische Änderungen, zum Beispiel bei der Bepreisung von CO2 über Emissionshandelssysteme, Steuern oder die Energie­gesetzgebung. Darüber hinaus kann die Emissionsbilanz und -intensität von BASF zu einer negativen Wahrnehmung und eingeschränkter Attraktivität bei externen Interessengruppen (zum Beispiel Kunden, Investoren) führen. Wir begegnen diesen Risiken durch unsere Maßnahmen im Rahmen des Carbon Managements und indem wir unsere Positionen und Beiträge zum Klimaschutz (zum Beispiel politische Forderungen, Fortschritte bei der Umsetzung unserer Klimastrategie, Leistungen unserer Produkte zum Klimaschutz) transparent in öffentlich zugänglichen Quellen (zum Beispiel diesem Geschäftsbericht oder auf der BASF-Webseite) und im direkten Austausch mit den externen Interessengruppen darstellen.

Neben den klimabedingten Risiken bestehen auch Chancen. Unser breites Produktportfolio umfasst unter anderem Lösungen für Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz (zum Beispiel Dämmstoffe für Gebäude, Materialien für die Elektromobilität, biobasierte Produkte), für die sich bei verstärkter gesellschaftlicher Sensibilität zusätzliche Marktchancen bieten. An Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft, die den ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Ansprüchen langfristig gerecht werden soll, arbeiten wir mit einer Vielzahl von wissenschaftlichen und öffentlichen Organisationen und Initiativen.

Zur Erfassung berichtspflichtiger Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne des § 289b ff HGB nutzen unsere dezentralen Fachverantwortlichen einen zentralen Entscheidungsbaum. Für das Jahr 2021 wurden keine berichtspflichtigen verbleibenden Nettorisiken im Sinne des § 289b ff HGB identifiziert.

1 Dem Bewertungsmodell wurde das IPCC-Klimaschutzszenario SSP1-2.6 zugrunde gelegt, ergänzt um die Szenarien SSP2-4.5 (mittlere globale Erwärmung) und SSP5-8.5 (hohe globale Erwärmung).

Wertschöpfungskette
Als Wertschöpfungskette wird die Aufeinanderfolge von Veredlungsschritten im Produktionsprozess bezeichnet, angefangen bei den Rohstoffen über verschiedene Zwischenstufen wie Transport und Produktion bis zum fertigen Endprodukt.