Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 20221
Auf einen Blick
- Moderates Wachstum des BIP in Europa und den USA erwartet
- Voraussichtlich hohes Wachstum in Asien
- Moderates Wachstum in der globalen Industrieproduktion
- Fragile Erholung in der Automobilindustrie
- Langsameres, aber noch überdurchschnittliches Wachstum der Chemieindustrie erwartet
Für Europa und die USA erwarten wir eine moderate Abschwächung der Wachstumsdynamik im Vergleich zum Vorjahr. Für China – das früher in die wirtschaftliche Erholung nach dem Einbruch 2020 gestartet ist – gehen wir dagegen von einer deutlichen Abkühlung, aber weiterhin solidem Wachstum aus. Die übrigen asiatischen Schwellenländer werden voraussichtlich etwas stärker als im Vorjahr wachsen.
Die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung bleiben aber hoch. Der weitere Verlauf der Corona-Pandemie könnte die Nachfrage stärker als erwartet beeinträchtigen. Die Lieferschwierigkeiten in den globalen Wertschöpfungsketten könnten länger anhalten als in unserem Ausblick unterstellt. Hohe Energiepreise und gestiegene Inflationsraten werden die Kaufkraft der Verbraucher möglicherweise stärker dämpfen als in unserer Prognose erwartet.
Entwicklung der Weltwirtschaft im Jahr 2022
Für die Europäische Union (EU) gehen wir insgesamt von einem moderaten Wachstum des BIP um 3,6 % (2021: 5,2 %) aus. Dazu werden die wirtschaftliche Belebung im Dienstleistungssektor sowie die von uns erwartete allmähliche Beseitigung der Lieferschwierigkeiten in der Industrie beitragen. Darüber hinaus werden die Zahlungen aus der europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität das Wachstum stützen. Wir erwarten, dass die Unterschiede in den Wachstumsraten der EU-Mitgliedsländer geringer ausfallen als im Vorjahr. Die dynamische Erholung der westeuropäischen Länder, die 2021 besonders stark gewachsen sind (Frankreich, Italien), wird sich voraussichtlich etwas abschwächen, während Deutschland etwas stärker wachsen dürfte. In den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern erwarten wir eine Konvergenz der Wachstumsraten auf ähnlichem Niveau.
Im Vereinigten Königreich gehen wir von einer weiteren Fortsetzung des Aufholprozesses aus, die aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Insbesondere die Knappheit an Arbeitskräften in der Logistik und im Gastgewerbe kann die weitere Erholung verlangsamen. Insgesamt erwarten wir dort ein Wachstum des BIP um 3,8 % (2021: 7,5 %).
Für die USA prognostizieren wir ein Wachstum von 3,8 % (2021: 5,7 %). Staatliche Ausgabenprogramme für Infrastruktur, Soziales und Klimaschutz werden das Wachstum stützen. Das Auslaufen der im Rahmen der COVID-Hilfen erweiterten Arbeitslosenunterstützung sollte durch eine weitere Belebung des Arbeitsmarktes teilweise kompensiert werden. Die Verzögerungen bei der Abfertigung von Waren in den US-amerikanischen Häfen sollten allmählich an Bedeutung verlieren, da sich das Wachstum der Güternachfrage zugunsten des Dienstleistungssektors abschwächt. Zudem sollten sich die Staus in den Häfen allmählich auflösen. Einer stärkeren Belebung steht der Arbeitskräftemangel entgegen, der die Erholung insbesondere im Dienstleistungssektor bremsen wird.
In den asiatischen Schwellenländern rechnen wir insgesamt mit einer Abschwächung des Wachstums. In China wird sich der Immobiliensektor abkühlen, darüber hinaus dürfte die Null-Toleranz-Politik in der Corona-Pandemie die Erholung des privaten Verbrauchs bremsen. Wir nehmen zudem an, dass selektive Maßnahmen zur Eindämmung neuer Corona-Ausbrüche die industriellen Wertschöpfungsketten und die Logistik weiterhin beeinträchtigen werden. Insgesamt gehen wir von einem Wachstum des chinesischen BIP von 4,5 % im Jahr 2022 aus (2021: 8,1 %). In Indien bleibt die Konjunkturentwicklung angesichts einer noch niedrigen Impfquote unsicher. Hier erwarten wir ein etwas geringeres Wachstum als im Vorjahr (2022: 7,0 %, 2021: 8,1 %). Dies wird insbesondere von einer Erholung des privaten Verbrauchs getragen werden. Für die anderen asiatischen Schwellenländer rechnen wir in diesem Umfeld aufgrund positiver Basiseffekte und einer allmählichen Belebung des Tourismus mit einem etwas höheren Wachstum des BIP von 4,6 % (2021: 4,2 %).
In Japan erwarten wir nach einem schwachen Wachstum von nur 1,7 % im Jahr 2021 nur eine leichte Steigerung der Dynamik im kommenden Jahr (+2,5 %). Während der private Verbrauch und Investitionen das Wachstum stützen, gehen wir aufgrund der Abschwächung in China von schwächeren Impulsen für das Exportgeschäft aus. Staatliche Konjunkturhilfen könnten das Wachstum allerdings stärker beschleunigen als in unserer Prognose bislang berücksichtigt.
In Südamerika schwächt sich das Wachstum im Jahr 2022 voraussichtlich erheblich ab. Hohe Nettoexporte von Industrie- und Agrarrohstoffen werden die brasilianische Wirtschaft weiterhin stützen, aber keine starken Wachstumsimpulse mehr liefern. Das Wachstum der einheimischen Nachfrage wird durch hohe Inflationsraten, eine gestiegene Verschuldung und steigende Zinsen gedämpft. Insgesamt erwarten wir für Brasilien ein Wachstum von nur 0,4 % im Jahr 2022 (2021: 4,7 %). Auch in Argentinien wird sich das Wachstum vor dem Hintergrund der weiterhin sehr hohen Inflation und zunehmender staatlicher Konsolidierungserfordernisse deutlich abschwächen (2022: 2,3 %, 2021: 9,0 %). Für die anderen südamerikanischen Schwellenländer erwarten wir ein im Ländervergleich etwas höheres, aber im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls deutlich schwächeres Wachstum (2022: 3,2 %, 2021: 9,5 %), da die positiven Basiseffekte aus dem Vorjahr auch in diesen Ländern auslaufen.
1 Unsere Annahmen berücksichtigen aktuelle Einschätzungen externer Institutionen; dazu zählen Wirtschaftsforschungsinstitute, Banken, multinationale Organisationen und Beratungsunternehmen.